NeujahrsreV/Solution

If your body and soul starts to fuck you up; you better listen carefully.

„Der Himmel über dem Hafen hatte die Farbe eines Fernsehers, der auf einen toten Kanal eingestellt war.“

— William Gibson, Neuromancer

Die Eröffnungszeile eines meiner Lieblingsromane beschreibt in etwa den Zustand, den ich in den letzten Wochen erlebt habe. Hyperakusis. Überempfindlichkeit gegenüber Schall. Oder: stressbedingter Tinnitus. Garniert mit Konzentrationslöchern deren Größe Nolans „Gargantua“ aus Interstellar beinahe den Rang abliefen. Und einigen weiteren, unschönen Nebeneffekten. Nicht zu empfehlen. Aber ein guter Grund – vor allem auch in Kombination des gerade vollzogenen Jahreswechsels, den eigenen Lebensstil grundsätzlich zu überdenken und neue Vorsätze zu fassen. Für jetzt: zumindest einen.

Nemesis

Stress reduzieren. Der erste Vorsatz ist gleichzeitig meine Nemesis. Seit 2003, dem Jahr, in dem ich selbstständig wurde, spiele ich gefühlt den Modus „Abenteuer Dauerfeuer“. Always online, before it was cool. Sozusagen. Mehrere Projektumsetzungen gleichzeitig und jederzeit. Natürlich auch im Urlaub und nach „Feierabend“. Kein Problem! Der Kunde ist König. Oder Königin. Keine Rücksicht auf Verluste.

Sicher hätte ich das nicht in den Anfangsjahren so gehandhabt, würde ich beruflich nicht da sein, wo ich jetzt bin. Mein Versäumnis war jedoch irgendwann auf dem Weg kurz innezuhalten und die Strategie anzupassen. Und noch wichtiger: diese Anpassung auch zu kommunizieren.

Und ja, diese Erkenntnis kam spät, hier in Form von hörbaren (sic!) Einschlägen kurz vor dem Bug. Aber sie kam. Glücklicherweise.

Selbst und ständig.

„Von nichts kommt nichts.“

— Lukrez, De rerum natura

Fluch und Segen. Natürlich. Und dass am Ende des Tages Geld verdient sein möchte, ist logisch und legitim. Genauso wie die Tatsache, dass man Kunden glücklich machen / zufrieden sehen und Projekte erfolgreich abschließen möchte. Allerdings nicht um jeden Preis.

Wenn das alles eine seltsame Eigendynamik entwickelt und spätestens dann, wenn der eigene Körper die Reißleine zieht, sollte man sich (vorübergehend) aus der Gleichung nehmen.

Das Schöne daran: beinahe alle Partner, Kunden, Freunde und Familie begegnen einem mit Verständnis und Empathie.

Hard Reset

Und der Rest? Die „Silberrücken-Pfeilgift-Ninjas“ (Shaban und Käptn Peng – Haus brennt), ständige Nachbesserungen von nebulösen Projektbeschreibungen, vorgezogene oder verschobene Deadlines, Anrufen auf dem Handy anstelle von E-Mails, vermeintliche Feuerwehreinsätze im Urlaub und an den Wochenenden etc.?

Letztendlich gibt es hier nur eine Vorgehensweise: Bewerten. Kommunizieren. Aussortieren.

Das hört sich jetzt vielleicht salopp an, ist es aber nicht. Auch und gerade nicht nach über 20 Jahren. Das Murmeln vom Bühnenrand: ‚Er hat aufgegeben.‘ oder ‚Er ist gescheitert!‘ ignoriere ich an dieser Stelle.

Nichts davon hat damit zu tun. Ich setze „nur“ die eigene Gesundheit im Allgemeinen und für mich als Kreativen im Speziellen, die eigene Psychohygiene an erster Stelle. Sollten wir alle; egal in welchem Bereich man tätig ist.

Und jetzt?

Jetzt freue ich mich erst mal, dass ich wieder ohne angepassten Gehörschutz einkaufen gehen kann und mehr als zwei Stunden pro Tag bei voller Konzentration für spannende Projekte und Aufträge kreativ sein darf.

Darüber hinaus … ein ‚ongoing project‘, wie man so schön sagt; das wird noch ein langer Weg. Aber die Erkenntnis ist da und Strategien für die Umsetzung ebenfalls.

Manchmal braucht es Momente der Stille, um zu verstehen, was wirklich zählt. Schauen wir mal, was wird.

Ach ja: Lecker kochen hilft. Essen natürlich auch. Und gute Bücher. Auf der Couch vor der Konsole in ein Spiel eintauchen. Die Lesebestätigungen bei WhatsApp deaktivieren. Viel (Wasser) trinken. Und Powernaps.

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